Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Versicherungsmaklerrinnen und -makler,
mit einigen gerichtlichen Entscheidungen in diesem Jahr wurden von der Rechtsprechung sehr hohe
Anforderungen an die Markt- und Informationsgrundlage des Versicherungsmaklers gestellt. Die Nichtbeachtung
könnte weitreichende Folgen haben, meinen die Rechtsanwälte Timmermann und Michaelis in diesem Beitrag.
Neben der möglichen Wettbewerbswidrigkeit im Rahmen der Beratung oder durch die vertragliche Gestaltung im
Maklervertrag können auch denkbare Schadensersatzansprüche des Kunden vorstellbar sein. Dies zeigte
beispielsweise die Entscheidung des Landgerichts Konstanz vom 21.1.2021.[1]
So sei unter „Markt“ i.S. des § 60 Abs. 1 S. 1 VVG im Rahmen der Beratungsgrundlage das
„gesamte Versicherungsumfeld“ zu verstehen. In der vom Makler durchzuführenden
Marktanalyse ist dieser sonach verpflichtet, auch Direktversicherer und andere
Versicherer zu berücksichtigen, die mit Versicherungsmaklern grundsätzlich nicht zusammenarbeiten wollen.
Erst wenn der Makler zunächst den Gesamtmarkt analysiert hat, steht ihm überhaupt die Möglichkeit
zu, eine entsprechende Auswahl an Versicherungen zu treffen.[2]
Ich persönlich halte dieses Urteil für überzogen und meine nicht, dass man nun sofort hektisch alles ändern
muss. Gleichwohl möchten wir Ihnen mit dieser Ausarbeitung am Schluss eine pragmatische Lösungsoptionen
aufzeigen. Wir sind nun einmal als RAe verpflichtet, Ihnen den „sichersten Weg“ aufzuzeigen und
das auch, wenn die Rspr. immer „verwinkelter“ wird.
Besondere Aufmerksamkeit kommt hier dem Urteil des OLG Karlsruhe v. 22.09.2021 zu, dass auch schon in der
Lit. einige Aufmerksamkeit erlangte.[3] Der Senat hat hier sehr
detailliert und lehrbuchartig die Vorstellungen skizziert, wie die Rspr. sich den Umgang des Maklers mit
seiner Markt- und Informationsgrundlage vorstellt. Verivox wurde zunächst als Vermittler, genauer
als Makler qualifiziert und unterlag in dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren, dass eine
Verbraucherzentrale gegen das Vergleichsportal führte. Verivox hat gegen das Urteil des OLG Karlsruhe keine
Revision eingelegt. Es bleibt also für diesem Sachverhalt bei der vorliegenden, nunmehr rechtskräftigen
Entscheidung. Das OLG Karlsruhe hatte Gelegenheit, sich zu zwei Rechtsfragen zu äußern, die im modernen
Makler-Vertrieb durchaus von übergeordnetem Interesse sein können:
- ein Internetvermittler und Betreiber eines Vergleichsprotals kann den Regelungen der §§ 59 ff. VVG
unterfallen und als Vermittler gelten;
- als Versicherungsmakler müssen – im Falle eines Online-Vergleiches – grundsätzlich auch Angebote
solcher Versicherer in die Beratungsgrundlage einfließen, mit denen das Portal nicht kooperiert; dies gilt
nur dann nicht, wenn der Makler den Kunden zuvor auf seine eingeschränkte „Versicherer- und
Vertragsauswahl“ – zumindest in Textform – hingewiesen hat. Für diesen Hinweis reicht es dann jedoch
nicht aus, nur die Versicherer aufzuführen, mit denen eine Kooperation besteht. Der Makler muss auch seine
Markt- und Informationsgrundlage konkretisieren, um dem Verbraucher eine Mindestorientierung zu
gewähren.[4]
Diese Ergebnisse müssen in Kontext mit vorangegangenen Entscheidungen gestellt werden, um eine über das
Urteil hinausgehende Aussage für „die Makler“ zu extrahieren. Es ist, um zu einer tragfähigen
Allgemeinaussage zu gelangen, also genau herauszuarbeiten, was die „tragenden
Gesichtspunkte“[5] des Urteils sind, d.h. wozu es sich überhaupt
verbreiten wollte. Eine in der gegenwärtigen jur. Debatte leider nur allzu häufig anzutreffende Unart
stellt es dar, dass ein separates Urteil als Ausgangspunkt methodischer Betrachtung genommen wird,
daran dann aber Empfehlungen geknüpft werden, als würde es sich um ein neues Gesetz handeln.[6]
Dieser Fehler im Umgang mit „german case-law“ soll hier nicht begangen werden.
1.) Vermittlerstatus
Soweit das OLG Karlsruhe feststellt[7], dass Verivox nicht nur eine
„Informationsquelle“ für Verbraucher war, die noch gar keine „geschäftliche Entscheidung“
treffen, sich also noch gar nicht aufgrund einer Beratung festlegen wollten, sondern durchaus auch
um Abschlüsse von Versicherungsgeschäft als Vermittler bemüht war, bestätigte dieses die Ausführungen in
der Entscheidung des Instanz-Urteils.[8] Damit war aber nur die Frage
nach dem Anwendungsbereich des UWG (aufgrund der Betroffenheit einer „geschäftlichen Handlung“
i.S. des § 2 Nr. 1 UWG) betroffen. Dass Vergleichsportale nun auch als „Vermittler“ auftreten,
galt in Lit. und Rspr. (eigentlich) seit dem Tchibo-Urteil des BGH eigentlich als
ausgeschrieben.[9]
Der „Clou“ dieses Falles lag darin, dass sich Verivox darauf berief, gar kein Vermittler
zu sein, auf den §§ 59 Abs. 2 (Versicherungsvertreter) oder Abs. 3 (Versicherungsmakler) VVG Anwendung
finden, sondern ein „Vermittler“ i.S. des § 1a Abs. 2 VVG. Diese Norm setzt Art. 2 Abs. 1 Nr. 1
IDD um. Die Begründung des Gesetzgebers hielt dazu fest:[10] „Neu
ist die ausdrückliche Einbeziehung der Informationsbereitstellung über eine Website und von
Vergleichsportalen, sofern jeweils direkt oder indirekt der Abschluss eines Versicherungsvertrages
ermöglicht wird.“ Erfasst sind auch Marktteilnehmer, deren Geschäftsmodell darin besteht, in der Regel
gegen Entgelt auf die Angebote von Versicherern oder Vermittlern nur zu verweisen. Sofern dieses
„Verweisen“ aber in einer Weise geschieht, dass vom Standpunkt des objektiven
Empfängerhorizonts der Status eines Vertreters oder Maklers vorausgesetzt werden muss, löst sich diese
Figur des „vermittlerpflichtlosen Vermittlers“ in Luft auf. Ob und was der objektive Empfänger
aussagt, wird im Zweifel das Gericht normativ bestimmen.[11]
Insofern musste die Rechtserkenntnis des Tchibo-Urteils[12] hier nur
konsequent umgesetzt werden.
2.) Informationspflichten
Eine wirkliche Neuerung enthält das OLG-Urteil[13] nun insoweit, als
dass es auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 S. 1 VVG[14] endlich
in die breitere Fachdebatte einbringt. Dass dies erforderlich war, belegen die Urteile des Landgericht
Frankfurt v. 06.05.2021[15], des Landgerichts Leipzig v.
16.12.2016[16] sowie selbst das Instanz-Urteil des Landgerichts
Heilbronn.
Bislang erschöpften sich diese Urteile in der Feststellung, dass
- ein Makler, der bestimmte Versicherer ausschließen will, z.B. solche, von denen er keine
Courtagezahlung erwarten kann, seine Beratungsgrundlage nach § 60 Abs. 1 S. 2 VVG entsprechend
reduzieren und dies dem Versicherungsnehmer mitteilen müsse;
- dies auch für Internetmakler gelte, da ein Versicherungsinteressent bei Nutzung deren Website
i.d.R. eine tendenziell vollständige Einbeziehung der auf dem Markt befindlichen Produkte erwartet.
Zwischenergebnis
Bitte schön aufzupassen: Was zur „Beratungsgrundlage“ i.S. des § 60 Abs. 1 VVG gehört, ist
zu trennen von der anderen Frage, was im Rahmen des § 60 Abs. 2 S. 1 VVG als „Markt- und
Informationsgrundlage“ mitzuteilen ist. § 60 Abs. 2 S. 1 VVG wird erst relevant, wenn der Makler
seinem Kunden den Hinweis gab, nur eine eingeschränkte Beratungsgrundlage zu
verwenden.
(1) § 60 Abs. 1 S. 1 VVG als Pflichtverletzung
An dieser Stelle schafft das OLG Urteil zunächst dogmatischen Erkenntnisgewinn. Das OLG geht in
seinem Urteil nämlich selbstbewusst davon aus, dass die IDD laut Erwägungsgrund 2 nur eine
Mindestharmonisierung anstrebte, der deutsche Gesetzgeber also nicht gehindert war, selbst
strengere Vorgaben zu schaffen.[17]
Infolge dessen – wegen dieser flexiblen Eigenständigkeit des nationalen Gesetzgebers – müsse nun auch ein
deutsches Gericht nur auf die Normen Rücksicht genommen werden, wie sie in Berlin durch BT-Drs. 18/11627
umgesetzt wurden. Aus § 60 Abs. 1 S. 2 VVG ist aber auch „bei genauer Betrachtung“ keine Pflicht
des Maklers zu entnehmen, den Kunden auf eine „eingeschränkte Beratungsgrundlage“ hinzuweisen.
Weiter heißt es im Urteil:[18]
„Die Erteilung des genannten Hinweises „im Einzelfall“ ist danach lediglich die Voraussetzung dafür,
die Pflicht des Versicherungsmaklers aus § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG, seinem Rat eine hinreichende Zahl von
Versicherungsverträgen und Versicherern zu Grunde zu legen, zu suspendieren. Wird ein solcher Hinweis nicht
erteilt, verstößt ein gleichwohl auf eine nicht hinreichende Zahl von auf dem Markt
angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern gegründeter Rat nach der Systematik des
Versicherungsvertragsgesetzes gegen die Pflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG.“[19]
Fast leise und vorsichtig ergänzt das OLG: „Die darüber hinaus vom Landgericht angenommene
Verpflichtung zu einem Hinweis im Sinn von § 60 Abs. 1 Satz 2 VVG ließe sich allenfalls durch
richtlinienkonforme Auslegung mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 1 lit. c) Nr. iii) RL (EU)
2016/97 oder über die Annahme einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Nebenpflicht aus dem oder bei
Anbahnung des Maklervertrags stützen.“[20] Nun ist die
Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung nationaler Normen im Bereich der überschießenden
Umsetzung – wie hier – tatsächlich nach wie vor umstritten. Unklar blieb bislang, wann eine sog.
richtlinienorientierte Auslegung nationaler Bestimmungen vorzunehmen ist und wann stattdessen eine
gespaltene Auslegung sog. Hybridnormen zu erfolgen hat, die aus der Eigenermächtigung des nationalen
Gesetzgebers hervorgingen.[21] Dies im Einzelnen nachzuverfolgen ist
hier nicht der Raum.
(2) Inhalt des Hinweises
Ein Schwerpunkt des Urteils geht sodann – dogmatisch konsequent – zunächst der Frage nach,[22] wann eine „hinreichende Zahl von Versicherungsverträgen“ der
Makler-Beratung zugrunde lag[23] und vor allem, was ein Makler tun
müsse, wenn dieser „einmal“ davon abweichen wolle und seinem Kunden nur auf eingeschränkter
Grundlage beraten möchte.
Die Diskussion, die sich hier seit Umsetzung der IMD-Richtlinie entsponnen hat,[24] krankt an der typischen Detailversessenheit der reinen
Feinstruktur-Betrachtung von Einzel-Urteilen. Das führt dann notwendigerweise dazu, dass die hinter diesen
Abgrenzungen stehenden prinzipiellen Kriterien, systematischen Einteilungen und dogmatischen Erwägungen
verwischt werden. Es werden dann Scheindebatten geführt und Pseudoabgrenzungen getroffen, bis der Ruf nach
einem klärenden höchstrichterlichen Urteil laut wird, dass diesen „Hick-Hack“ dann wieder in einen
größeren Kontext stellen soll.[25]
(2.1) Vorgabe
Halten wir uns nochmal das Informationsprogramm der EU-Richtlinie vor Augen:
Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 IDD bestimmt als „vertragsbezogene“ Informationspflicht, dass der
Vermittler zunächst mitteilen muss, ob er seinen Rat (i) „auf eine ausgewogene Untersuchung“
stützt, oder ob er (ii) vertraglich verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte ausschließlich mit
einem oder mehreren VR zu tätigen oder ob er (iii) nicht vertraglich ausschließlich einem oder mehreren VR
verpflichtet ist, aber seinen Rat nicht „auf eine ausgewogene Untersuchung stützt“. In den Fällen
(ii) und (iii) muss er dem Kunden auf Antrag auch die Namen derjenigen VR mitteilen, mit denen er
Versicherungsgeschäfte tätigen darf und auch tätigt. Teilt der Vermittler mit, dass er „auf der
Grundlage einer objektiven Untersuchung berät“, muss er seinen Rat auf eine Untersuchung einer
hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen stützen, so dass er gemäß
fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin gehend abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet wäre,
die Bedürfnisse des VN zu erfüllen (Art. 12 Abs. 2 der RL).
Diese „vertragsbezogenen“ Informationspflichten hat der deutsche Gesetzgeber in § 60 VVG
umgesetzt. Die Beratungspflicht („Beratungsgrundlage“) des Maklers (§ 60 Abs. 1 S. 1 VVG)
entspricht dabei fast wörtlich Art. 12 Abs. 2 der RL. Nach § 60 Abs. 2 VVG müssen Makler mit
„eingeschränkter Auswahl“ sowie Mehrfachvertreter mitteilen, „auf welcher Markt- und
Informationsgrundlage“ sie ihre Leistungen erbringen und welche VR sie bei dem erteilten Rat
berücksichtigt haben.
Bereits aus dieser Einteilung ergibt sich für die Klärung des Sachverhaltes, der dem OLG vorlag, dass ein
Makler, der sein Geschäft online via eines Vergleichsportals betreibt und hierbei bewusst auch namhafte
Versicherer ausschließt, die nicht bereit waren, sich provisionspflichtig für das Portal zur Verfügung zu
stellen, mehr mitzuteilen hat als nur den Namen der VR, die er ausgeschlossen hat.
(2.2) Einfluss der bestmöglichen Beratung/ Geschäftsbesorgung
Die Kardinalpflicht der Vers.-Vertreiber besteht seit der Umsetzung der IDD darin, bei
ihrer Versicherungs-„Vertriebstätigkeit“ gegenüber Kunden „stets ehrlich, redlich und
professionell in deren bestmöglichem Interesse“ zu handeln, vgl. Art. 17 Abs. 1 IDD[26], § 1a Abs. 1 VVG.
Die Formulierung lehnt sich an Art. 24 Abs. 1 der MiFID 2 – Richtlinie an. § 1a VVG schafft im Abs. 2 nicht
nur eine neue Art des Vermittlers, sondern erweitert auch die Anforderungen der Vertriebstätigkeit der
bereits existierenden Vermittler i.S. einer Materialisierung.[27]
Konfliktträchtig ist hierbei vor allem die Loyalitätspflicht, d.h. die Pflicht im
bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln. Dies vor allem in Fällen, in denen der Vermittler
auf der Marktgegenseite steht und als rendite- und wachstumsorientiertes Unternehmen auch (legitime)
entgegengesetzte Interessen verfolgt. Legt man § 1a VVG restriktiv aus, so ist nach
Regelungsadressaten zu unterscheiden, d.h. VR und Versicherungsvertreter sind zum Handeln im
bestmöglichen Interesse des VN verpflichtet, soweit sie als Geschäftsbesorger auftreten,
mithin in der Beratung. Empfiehlt der VR dem VN ein bestimmtes Produkt, so besorgt er ein Geschäft
des VN, der die Produktauswahl an sich in Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen selbst treffen müsste.
Nimmt ihm der VR diese Tätigkeit ab, so darf sich der VN darauf verlassen, dass die Empfehlung des VR in
seinem bestmöglichen Interesse liegt. Gemeinsamer Nenner dieser Einordnung ist die
Überlegung, dass ein Geschäftsbesorger eine ihm übertragene selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art
in fremdem Interesse ausübt.[28] Gemeint ist, wie es bei
Larenz allgemein zum Geschäftsbesorger heißt, dass er „mit dem ihm anvertrauten Vermögen treu und
gewissenhaft umzugehen“ und „im fremden Interesse fürsorglich tätig zu sein“ hat.[29]
Durch diese Treuepflicht unterscheidet sich der Geschäftsbesorgungs- als Interessenwahrungsvertrag
von allen anderen Verträgen und damit auch vom Versicherungsvertrag.[30]
(2.2.1) Geschäftsbesorgung Vertreter
Dagegen ist der VR im nicht-geschäftsbesorgungs-rechtlichen Versicherungsverhältnis (d.h. insb. nach
Abschluss des Vers.-Vertrages) nur an Treu und Glauben (§ 242 BGB) bzw. an die sich damit
überschneidenden Integritäts- und Professionalitätspflichten aus § 1a Abs. 1 VVG gebunden. Er muss bei der
Konzeption einer Lebens-, Kranken- oder Unfallversicherung oder bei der Regulierung eines Wasserschadens
zwar Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des VN nehmen; er braucht aber nicht mehr in
dessen bestmöglichem Interesse zu handeln. Denn der VR nimmt hier insoweit nämlich kein
„fremdes Geschäft“ mehr wahr, sondern handelt im Rahmen des bestehenden Versicherungsvertrages.
Der BGH hat klargestellt, dass „Treu und Glauben“ keine Partei verpflichten, „gleich- oder
höherrangige eigene Interessen gegenüber den Belangen des anderen Teils zurückzustellen“.[31] Daher ist der VR auch nicht – jedenfalls nicht gem. § 1a VVG – gehalten, nur
noch Lebens- und Krankenversicherungen mit Risikoprüfung zu vertreiben oder nur Klauseln zu verwenden, die
das bestmögliche Interesse des VN verwirklichen; in beiden Fällen handelt der VR, weil er ein
eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt und nicht, weil der VN ihn mit der Konzeption
eines Versicherungsprodukts beauftragt hätte.
Selbst während der Beratung bedeutet für den VR und Vertreter die Bindung an das bestmögliche
Interesse, dass dieser im konkreten Einzelfall sicherstellen muss, dass er das Produkt auswählt, das
den Präferenzen und Bedürfnissen des Kunden am besten entspricht. Dabei ist jedoch dem Handlungsumfeld
Rechnung zu tragen. Empfiehlt ein Vers.-Vertreter ein Produkt, teilt er mit, dass er „für Rechnung und
im Namen eines Vers.-Unternehmens“ handelt, dass er vertraglich verpflichtet ist,
„Vertriebsgeschäfte ausschließlich mit diesem Vers.-Unternehmen zu tätigen“ und dass er seinen Rat
„nicht auf eine ausgewogene und persönliche Untersuchung am Markt verfügbarer Lebensversicherer“
stützt.[32]
Ein Kunde kann bei diesem Handeln im bestmöglichen Interesse nur erwarten, dass ihm der Vertreter
aus dem beschränkten Portfolio dieses Vers.-Unternehmens das Produkt anbietet, das der Vermittler
vertritt.
(2.2.2) Geschäftsbesorgung Makler
Bei Versicherungsmaklern stellt sich diese Rechtslage allerdings anders dar:
Der Versicherungsmakler handelt insgesamt auf der Basis eines
Geschäftsbesorgungsvertrags für den VN als Auftraggeber; er steht als treuhänderischer
Sachwalter während der gesamten Dauer des Maklervertrages im Lager des VN.
Doppelrechtsverhältnisse, mit Kooperationspartnern etc., ändern daran nichts.[33] Der Makler hat also durchgängig, im Rahmen des
Zumutbaren, die Interessenwahrungspflicht des Geschäftsbesorgers zu achten.[34]
Der Makler hat nicht die nicht die Chance, sein Gewinnstreben über die Interessenwahrungspflicht des Kunden
zu stellen, ohne dass dies als Fehlanreiz und damit als intelligible Beeinflussung der
bestmöglichen Beratungspflicht erschiene. Nur die allgemeine Kategorie der
Zumutbarkeit, übernimmt die Regulierung, ob und wann ein Versagen der
übergeordneten Interessenwahrungspflicht ins Pflichtwidrige kippt.[35]
Die so erreichte Einteilung macht es nachvollziehbar, dass der Makler, der keine „hinreichende
Marktgrundlage“ zur Verfügung stellen will, da er Produktgeber ausschließen möchte, die seinen
wirtschaftlichen Interessen zuwiderlaufen, dies nicht entgegen des Interesses des Kunden tun kann. Der
Makler muss unter Berücksichtigung der (subjektiven) Kundenwünsche und -bedürfnisse (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1
VVG) eine objektiv sinnvolle Empfehlung abgeben und ggf. von unvernünftigen Entscheidungen abraten. Dabei
sind – dies wird häufig durcheinander gebracht - Beratung im bestmöglichen Interesse und
bestmögliche Beratung („best advice“) nicht identisch. Es geht nicht darum, dass
der Makler optimal berät, sondern darum, dass er sich in den Kunden hineinversetzt und
ihm das Produkt empfiehlt, für das dieser sich selbst entschieden hätte, weil dieses den Kundenwünschen und
-bedürfnissen (von allen in Betracht gezogenen und verfügbaren Produkten) am besten entspricht (vgl. Art.
20 Abs. 1 IDD).
M.a.W.: Auch das Vergleichsportal hatte eigentlich eine hinreichende
Beratungsgrundlage für den Kunden zu gewährleisten. Ein Abweichen ist dann nur nach den Vorgaben des § 60
Abs. 2 S. 1 VVG möglich. An dieser Stelle, erst dann wurde die Unterscheidung zwischen Markt- und
Informationsgrundlage relevant.
(3) Differenz zwischen Markt- und Informationsgrundlage
Eine Pflicht zur Berücksichtigung von Anbietern, die der Makler bereits nach § 60 Abs. 1 VVG von der
Beratungsgrundlage ausschließen konnte, weil diese nicht in die repräsentative Marktlage gehören, schuldet
der Makler auch bei § 60 Abs. 2 S. 1 VVG nicht.
Doch das schließt gerade nicht aus, dem Interessenten/ Kunden wenigstens über die reduzierte Grundlage eine
Informationsgrundlage zu verschaffen.[36] Der im Gesetz zum Ausdruck
gekommene Normzweck liegt darin, dem VN im Fall einer solcherart „beschränkten
Beratungsgrundlage“ dieselbe Transparenz zu ermöglichen, damit er sich zumindest teilweise ein Urteil
über die fachliche Kompetenz und Interessengebundenheit des Vermittlers bilden kann.[37]
Deswegen musste das OLG diese Anforderungen der smallcase Beratung erstmals näher
beleuchten.[38] Dies geschah in folgendem Dreiklang:
- nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VVG hat der Versicherungsmakler, der nach § 60 Abs. 1 S. 2 VVG auf eine
eingeschränkte Auswahl hinweist, dem Versicherungsnehmer mitzuteilen, auf welcher Markt- und
Informationsgrundlage die Leistung erbracht wird, und dafür die Namen der dem Rat zugrunde gelegten
Versicherer anzugeben. Gemäß § 62 Abs. 1 VVG sind dem Versicherungsnehmer die Informationen nach § 60 Abs.
2 VVG vor Abgabe seiner Vertragserklärung zu übermitteln.
- soweit es zudem einer Mitteilung über die Marktgrundlage bedarf (wofür nach zutreffender
Auffassung nicht die bloße Nennung der dem Rat zugrunde gelegten Versicherer genügt) kann
die Aufzählung in Erwägungsgrund 47 IDD immerhin als Interpretationshilfe herangezogen wird. Der Kunde ist
danach über die Anzahl der Anbieter im Markt, die vom Versicherungsmakler berücksichtigte Anzahl der
Anbieter, deren Marktanteil, die Anzahl der einschlägigen Versicherungsprodukte und die Merkmale dieser
Produkte zu informieren, wie dies anhand des verfügbaren Zahlenmaterials möglich sei. Hier sind zumindest
die Zahlen der bei der BaFin erfassten Versicherer mitzuteilen;
- schließlich ergibt sich aus der Unterscheidung im Gesetz, dass die Informationsgrundlage nicht
mit diesen objektiven Marktverhältnissen gleichzusetzen ist, sondern diese die Art und Weise
betrifft, wie der Makler Informationen über die Marktgrundlage gewonnen hat, etwa indem er sich auf eine
eigene Marktuntersuchung oder die Verwendung einer Maklersoftware beruft.[39]
3.) Ergebnis
Der Makler, der seine Beratungsgrundlage nicht infolge eigener wirtschaftlicher Interessen
künstlich schmälert, der ohne Hinweis auf eine Beschränkung als Makler auftritt, genügt seiner
vertragsbezogenen Informationspflicht nach wie vor, wenn er eine „hinreichende Zahl“ von
Versicherern zur Beratungsgrundlage macht. Sinn dieser Beratungsgrundlage ist es, diese wegen der
schwankenden Anzahl von Versicherern in den Teilsegmenten, die Grundlage des Maklers auf ein stabiles Maß
zu halten. Für diese Entlastungsfunktion reicht also eine repräsentative Auswahl und hierfür steht
dem Makler, als eingeschalteten Experten, natürlich auch weiterhin ein Beurteilungsspielraum zu. Wie viele
Produkte einbezogen werden müssen, hängt von der Homogenität des jeweiligen Teilmarktes ab, also des
Produktes, dass Gegenstand der Beratung sein soll. Da die Beratung des Maklers diesen in die Lage versetzen
soll, dass für den VN bestgeeignete Produkt zu finden, hat auch eine Konkretisierung der Bedingungen
insoweit zu erfolgen, dass eine Auswahl möglich ist.[40]
Die Auswahl dieser „Beratungsgrundlage“ muss repräsentativ sein, muss also auch VR enthalten, die
einen Maklervertrieb ablehnen oder dies nur zu Bedingungen, die für den Makler uninteressant sind. Diese
wirtschaftlichen Interessen, darf der Makler nicht über die Auswahl der Beratungsgrundlage stellen, die
allein der Interessenwahrungspflicht des VN genügen muss.
Beschränkt der Makler wegen der Unvereinbarkeit mit seinen Wirtschaftsinteressen die Beratungsgrundlage
nach § 60 Abs. 1 VVG, muss er hinsichtlich dieses Vorganges dennoch eine Mindesttransparenz für den Kunden
erhalten. Deshalb hat der bzgl. des verbleibenden Angebotsrests die Angaben bzgl. der Markt- und
Informationsgrundlage i.S. des § 60 Abs. 2 S. 1 VVG zu erteilen.
Das Urteil des OLG Karlsruhe verschärft die Diskussion, indem es die Aufmerksamkeit der Praxis und Rspr.
auf die Anforderungen des § 60 Abs. 2 S. 1 VVG lenkt und hier – dies geschieht aber in glasklarer
dogmatischer Art und Weise – an die unterschiedlichen Bedeutungsinhalte der Begriffe „Markt- und
Informationsgrundlage“ erinnert.
Das Urteil erging aufgrund eines Sachverhaltes, bei dem ein Vergleichsportal aufgrund wirtschaftlichen
Eigeninteresses ca. 48% der üblichen VR nicht in seinen „Vergleich“ eingeschlossen hatte. Dass ein
deutsches Obergericht hier Anlass hatte, an die Transparenz zu erinnern, darf dann nicht verwundern. Ob von
dieser Entscheidung nun Impulse für den „einfachen“ Makler ausgehen, wird davon abhängen, wie eine
nächste Entscheidung die Anbieterbeschränkung aufgrund von internen Poolvorgaben einschätzen wird. Dies
wird nicht 1:1 mit einem Vergleichsportal identisch sein. Es wird aber – 3 Jahre nach Inkrafttreten der IDD
– auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es marktfunktionale Verschränkungen gibt, die nicht immer bzw.
nur dem Interesse des VN dienen. Grenze des Belastbaren für den interessenwahrenden Makler ist hier dann
letztlich der Maßstab der „Zumutbarkeit“. Dieser wird begrifflich in diesem Diskurs nun verfeinert
werden müssen.
Eine Überschreitung eines methodischen Rubicon – wie manche Unkenrufe wieder alarmistisch verlauteten –
geht mit dem OLG Urteil jedoch gerade nicht einher.
4.) Lösungsvorschlag
Eine sehr gesetzesnahe Regelung in Ihrem Versicherungsmaklervertrag zu den Aufgaben des
Versicherungsmaklers könnte wie folgt aussehen: