Liebe
Mandantinnen
und
Mandanten,
Liebe
Versicherungsmaklerinnen
und
Versicherungsmakler,
die Kollegen
Professor Dr.
Hans-Peter
Schwintowski
und
Rechtsanwalt
Boris-Jonas
Glameyer haben
sich mit der
Entscheidung
des
Bundesgerichtshofes
zur
Betriebsschließungsversicherung
auseinandergesetzt.
Lesen Sie
nachfolgend die
Grundlagen der
BGH-Entscheidung,
die rechtliche
Würdigung sowie
unsere
kritischen
Anmerkungen zu
dem Urteil vom
26. Januar
2022. Diese
Ausarbeitung
wird auch
alsbald in der
Zeitschrift für
Versicherungswesen
(ZfV 5/2022,
Seite
139-142)
veröffentlicht,
sofern Sie oder
betroffene
Kunden eine
zitierfähige
Quelle
benötigen.
I.
Urteil vom
26.01.2022[1]
1.
Sachverhalt
Am 26.01.2022
hat der für das
Versicherungsvertragsrecht
zuständige IV.
Zivilsenat des
BGH
entschieden,
dass ein VN auf
der Grundlage
der
vereinbarten
Versicherungsbedingungen
keine Ansprüche
aus einer
Betriebsschließungsversicherung
wegen einer im
Zusammenhang
mit der
Covid-19-Pandemie
erfolgten
Schließung, der
von ihm
betriebenen
Gaststätte in
Schleswig-Holstein,
zustehen.
Der VN war bei
der AXA
versichert. Die
Zusatzbedingungen
für die
Betriebsschließung
(ZBSV 08)
lauteten
auszugsweise:
„Versicherte
Gefahren:
1.
Versicherungsumfang
Der Versicherer
leistet
Entschädigung,
wenn die
zuständige
Behörde
aufgrund des
Gesetzes zur
Verhütung und
Bekämpfung von
Infektionskrankheiten
bei Menschen
(Infektionsschutzgesetz—IfSG)
beim Auftreten
meldepflichtiger
Krankheiten
oder
Krankheitserreger
(siehe
Nr.2).
a) den
versicherten
Betrieb…
schließt
2.
Meldepflichtige
Krankheiten und
Krankheitserreger
Meldepflichtige
Krankheiten und
Krankheitserreger
im Sinne dieser
Zusatzbedingungen
sind die
folgenden im
Infektionsschutzgesetz
in den §§ 6, 7
namentlich
genannten
Krankheiten und
Krankheitserreger:
a) Krankheiten:
(unter anderem:
virusbedingte
hämorrhagische
Fieber;
Milzbrand;
Tollwut; der
Verdacht einer
über das
übliche Ausmaß
einer
Impfreaktion
hinausgehen
gesundheitlichen
Schädigung; die
Verletzung
eines Menschen
durch ein
tollwutkrankes,
-verdächtiges
oder
-ansteckungsverdächtiges
Tier sowie die
Berührung eines
solchen Tieres
oder
Tierkörpers
…)
b)
Krankheitserreger:
(unter anderem:
Borrelia
recurrentis;
FSME-Virus;
Gelbfiebervirus,
Echinococcus
sp.; Plasmodium
sp.;
Campylobacter
sp.; Legionella
sp.;
salmonella,
sonstige
…)“
Das Coronavirus
(Covid-19) oder
auch Abarten
davon (Sars-CoV
oder
Sars-CoV-2)
waren nicht in
der Liste
aufgeführt.
2.
Gründe
Der BGH stellte
zunächst klar,
dass der
Eintritt des
Versicherungsfalls
nicht die
Verwirklichung
einer aus dem
Betrieb selbst
erwachsenden
(intrinsischen)
Infektionsgefahr
voraussetzt.
Dennoch, so der
BGH, bestehe
kein
Versicherungsschutz.
Die
meldepflichtigen
Krankheiten
oder
Krankheitserreger
ergäben sich
aus dem Katalog
in § 2 Nr.2
ZBSV 08, der
nach dem für
die Auslegung
von Allgemeinen
Versicherungsbedingungen
maßgeblichen
Verständnis des
durchschnittlichen
Versicherungsnehmers
abschließend
sei und weder
die Krankheit
Covid-19 noch
den
Krankheitserreger
Sars-CoV-2
aufführe.
Der
durchschnittliche
Versicherungsnehmer
werde sich
zunächst am
Wortlaut
orientieren und
in § 2 Nr.1
ZBSV 08 dem
Zusatz „siehe
Nr.2“
entnehmen, dass
die vom
Versicherungsschutz
umfassten
meldepflichtigen
Krankheiten und
Krankheitserreger
in § 2 Nr.2
ZBSV 08 näher
bestimmt werden
würden. Sodann
werde er diese
Klausel in den
Blick nehmen
und unter der
Überschrift
meldepflichtige
Krankheiten
oder
Krankheitserreger
im Sinne dieser
Zusatzbedingungen
erkennen, dass
insoweit eine
eigenständige
Definition in
den Bedingungen
erfolge.
Die
anschließende
umfangreiche
Aufzählung von
Krankheiten und
Krankheitserregern
werde er als
abschließend
erachten. Daran
ändere auch der
Begriff
„namentlich“
nichts.
Auch der
erkennbare
Zweck-
und
Sinnzusammenhang
der Klausel
spreche für die
Abgeschlossenheit
des
Katalogs.
Der
durchschnittliche
Versicherungsnehmer
werde
einerseits ein
Interesse an
einem möglichst
umfassenden
Versicherungsschutz
haben,
andererseits
aber nicht
davon ausgehen
können, dass
der Versicherer
auch für nicht
im Katalog
aufgeführte
Krankheiten und
Krankheitserreger
die Deckung
übernehmen
wolle, die –wie
Covid-19 / Sars
Cov-2 gerade
zeige – unter
Umständen erst
Jahre nach
Vertragsschluss
auftreten und
bei denen für
den Versicherer
wegen der
Unklarheit des
Haftungsrisikos
keine
sachgerechte
Prämienkalkulationen
möglich
sei.
Aus diesen
Gründen halte
die Klausel
auch eine
Inhalts- und
Transparenzkontrolle
nach § 307
Abs.1., 2. BGB
stand. Der
durchschnittliche
Versicherungsnehmer
entnehme dem
klaren Wortlaut
der
Bedingungen,
dass die in § 2
Nr.2 ZBSV 08
meldepflichtigen
Krankheiten und
Krankheitserreger
abschließend
definiert
worden seien.
Ihm werde durch
die Bedingungen
nicht der
Eindruck
vermittelt,
dass jede
Betriebsschließung
auf der
Grundlage des
Infektionsschutzgesetzes
vom
Versicherungsschutz
umfasst sei.
Deswegen könne
auch
offenbleiben,
ob die in § 2
Nr.2 ZBSV 08
genannten
Krankheiten und
Krankheitserreger
identisch mit
den im
Zeitpunkt des
Vertragsschlusses
in den §§ 6, 7
IfSG genannten
Krankheiten und
Krankheitserreger
seien.
Insgesamt
benachteilige
die Klausel den
Versicherungsnehmer
nicht
unangemessen.
II. Das
Argument der
Abgeschlossenheit
des
Katalogs
Zentrales
Argument für
den BGH ist der
Gedanke, die
Aufzählung der
Krankheiten und
Krankheitserreger
in den AVB sei
abschließend.
Damit weicht
der BGH in
einem wichtigen
Punkt von der
Argumentation
einiger
Instanzgerichte[2]
ab. Das OLG
Stuttgart etwa
erwartet vom
durchschnittlichen
VN, dass er den
Katalog der
meldepflichtigen
Krankheiten in
den AVB mit dem
jeweiligen
Infektionsschutzgesetz
vergleicht.
Dies erwartet
der BGH vom
verständigen VN
nicht. Der BGH
geht davon aus,
dass in den
vereinbarten
AVB ein
bestimmter
Katalog
meldepflichtiger
Krankheiten und
Krankheitserreger
benannt sind.
Dieser Katalog
sei, so der
BGH, für den
verständigen VN
maßgeblich. Er
beschreibe den
Versicherungsumfang,
ganz
gleichgültig,
ob das IfSG
weitere oder
weniger
Krankheiten
oder
Krankheitserreger
im Zeitablauf
enthalte.
Deshalb so der
BGH, spiele es
auch keine
Rolle, ob der
Katalog, der in
den AVB
genannten
Krankheiten/Krankheitserreger
mit dem jeweils
geltenden IfSG
im Zeitpunkt
des Vertrags
übereinstimmend
gewesen
sei.
Der in den AVB
abgedruckte
Katalog der
Krankheit/Krankheitserreger
sei, so der
BGH, sowohl für
den
verständigen VN
maßgeblich wie
auch für den
Versicherer,
für den wegen
der
Unklarheit
des
Haftungsrisikos
sonst keine
sachgerechte
Prämienkalkulation
möglich
sei.
III.
Offene
Fragen
Diese auf den
ersten Blick
nachvollziehbare
Begründung
trägt
allerdings dann
und nur dann,
wenn der
Katalog der
meldepflichtigen
Krankheiten und
Krankheitserreger
dem
verständigen VN
eine klare und
eindeutige
Leistungsbeschreibung
gibt und wenn
die dort
beschriebenen
Krankheiten und
Krankheitserreger
ihrerseits in
sich
abschließend
und nicht etwa
offen und
dynamisch für
weitere, nicht
ausdrücklich
genannte
Krankheiten und
Krankheitserreger
sind. Ein etwas
genauerer Blick
in den Katalog
der
meldepflichtigen
Krankheiten und
Krankheitserreger
zeigt aber,
dass dieser
Katalog
keineswegs in
sich starr,
sondern im
Gegenteil offen
und dynamisch
für weitere
Krankheiten und
Krankheitserreger
ist.
Tatsächlich ist
dieser Katalog
im Grunde für
eine
Betriebsschließungsversicherung
völlig
irreführend,
weil eine
Vielzahl von
Krankheiten und
Krankheitserreger
genannt und
bezeichnet
werden, die gar
nicht zu einer
Betriebsschließung
führen können,
bei denen der
Katalog also
leerläuft[3].
Nur einige
könnten
tatsächlich
eine
Betriebsschließung
auslösen. Und
oft nur dann,
wenn es sich um
Krankheiten
oder
Krankheitserreger
handelt, die
namentlich, so
wie in der
Liste
aufgeführt, gar
nicht
vorkommen.
Aus der
Gesamtliste der
Krankheiten und
Krankheitserreger
sollen einige
wenige
herausgegriffen
werden, um
exemplarisch zu
zeigen, warum
die Annahme des
BGH, der
Katalog
beschreibe für
den
verständigen VN
den
Leistungsumfang
abschließend,
nicht zutreffen
kann.
IV.
Genauerer Blick
auf den Katalog
der Krankheiten
und
Krankheitserreger—Auswahl
Zunächst fällt
auf, dass es
unter den
Aufgezählten
eine ganze
Reihe von
Krankheiten und
Krankheitserreger
gibt, bei denen
eine
Betriebsschließung
praktisch
ausgeschlossen
ist, bei denen
der
Versicherungsschutz
also
leerläuft.
Dazu gehört zum
Beispiel das
„virusbedingte
hämorrhagische
Fieber“ das
größtenteils
durch Viren
verschiedener
Tropenkrankheiten
ausgelöst wird,
beispielsweise
dem durch
Stechmücken
übertragenen
Gelbfieber-
oder
Denguefiebervirus.
Auch dazu
gehört die
Krankheit
„Milzbrand“,
die nicht von
Mensch zu
Mensch
übertragbar
ist, sondern in
selten Fällen
in Form einer
Zoonose von
Paarhufern auf
den Menschen
übertragen wird
sowie die
„Tollwut“, die
fast
ausnahmslos
durch den Biss
eines
tollwutinfizierten
Tieres
übertragen
wird.
Darüber hinaus
wird
Deckungsschutz
aufgrund der
behördlichen
Betriebsschließung
auf Grundlage
des IfSG
innerhalb des
Kataloges für
den „Verdacht
einer über das
übliche Ausmaß
einer
Impfreaktion
hinausgehenden
gesundheitlichen
Schädigung“
gewährt und
zudem für „die
Verletzung
eines Menschen
durch ein
tollwutkrankes,
-verdächtiges
oder
-ansteckungsverdächtiges
Tier sowie die
Berührung eines
solchen Tieres
oder
Tierkörpers“
All diese
Krankheiten
können
natürlich
vorkommen, aber
ihnen wohnt
nicht das
Potenzial einer
Betriebsschließung
inne. Anders
formuliert:
eine ganze
Reihe der im
Katalog
genannten
Krankheiten
können den
Versicherungsfall
ihrer Natur
nach gar nicht
auslösen; sie
führen den
Versicherungsnehmer
also letztlich
in die Irre und
täuschen einen
Versicherungsumfang
vor der nicht
existiert.
Das gilt weiter
auch für eine
Reihe von
Krankheitserregern,
wie etwa dem
Bakterium
„Borrelia
recurrentis“,
welches von
Kleiderläusen
auf den
Menschen
übertragen wird
und bei ihm das
Läuserückfallfieber
auslöst oder
dem
„FSME-Virus“,
der durch einen
Zeckenstich auf
den Menschen
übertragen
wird. Eine
Übertragung von
Mensch zu
Mensch findet
auch hier nicht
statt.
Gleiches gilt
für das
„Gelbfiebervirus“,
übertragen
durch
Stechmücken
oder für den
Hundebandwurm
aus der Gattung
„Echinococcus
sp.“.
Entsprechendes
gilt für die
allermeisten
„Plasmodium
sp.“ -Erreger
zu denen auch
die
Malariaerkrankung
gehört.
Aus alldem
folgt zunächst
einmal, dass
der verständige
VN, der einen
Blick auf den
Katalog der
Krankheiten und
Krankheitserreger
wirft, auf
keinen Fall
abschließend
erfährt, welche
Krankheiten und
Krankheitserreger
möglicherweise
eine Schließung
seines
Betriebes
auslösen
könnten, für
welche er also
sinnvollerweise
Versicherungsschutz
benötigt. Ein
Großteil der
genannten
Krankheiten und
Krankheitserreger
sind jedenfalls
strukturell
nicht in der
Lage zu einer
Betriebsschließung
zu führen.
Daraus
resultiert die
Rechtsfrage,
wieso die
Leistungsbeschreibung
in der
Betriebsschließungsversicherung
mit einem
Katalog
gekoppelt wird,
der letztlich
eine Vielzahl
von
Sachverhalten
umfasst, die
gar keine
Betriebsschließung
bewirken
können.
Insoweit
besteht kein
Haftungsrisiko
für den
Versicherer.
Es bedarf
keiner
Prämienkalkulation,
aber es bedarf
einer
Klarstellung,
dass eine
Vielzahl der im
Katalog
genannten
Krankheiten und
Krankheitserreger
gar kein
Betriebsschließungsrisiko
bewirken.
Darüber hinaus
ist eine Reihe
von
Fällen
gelistet, bei
denen es eine
Vielzahl von
Krankheitserregern
gibt, ohne dass
der Katalog
beschreibt,
welche davon
tatsächlich
versichert
sind. Dazu
gehört
beispielsweise
der bakterielle
Erreger
„Campylobacter
sp.“. Um zu
verstehen zu
geben, dass es
verschiedene
Arten der
Gattung
Campylobacter
gibt, steht
hinter dem
Gattungsnamen
die Abkürzung
„sp.“. Mit
dieser wird in
der Medizin der
Gattungsname
für eine nicht
näher
bezeichnete
Spezies
innerhalb der
biologischen
Taxonomie
bezeichnet.
Dies trifft
auch bei noch
nicht
hinreichend
beschriebenen
Arten zu. Der
verständige VN
kann somit gar
nicht erkennen,
welche dieser
Erreger genau
versichert
sind. Da das
Kürzel sp.
verwendet wird,
kann die
Aufzählung
notwendigerweise
nur
beispielhaft
und keinesfalls
abschließend
sein. Auch der
Versicherer
kann nicht
wissen welche
Erreger er
genau zukünftig
versichert. Es
ist möglich,
dass innerhalb
der jeweiligen
Gattung weitere
Spezies
entdeckt werden
und
hinzutreten.
Diese sind nach
der Logik des
Katalogs
automatisch
mitversichert,
das heißt, der
Katalog ist, im
Gegensatz zur
Einschätzung
des BGH, auf
keinen Fall
abgeschlossen,
sondern
notwendigerweise
dynamisch.
Dies zeigt sich
etwa auch
anhand der
„Legionella
sp.“.
Legionellen
sind
gramnegative
aerobe
Bakterien.
Derzeit sind
über 60 Arten
bekannt, die
mindestens 79
verschiedene
Serogruppen
umfassen.
Welche dieser
60 Arten nun
versichert sind
und welche
möglicherweise
in Zukunft
hinzutreten,
ist völlig
offen - das
kann der
verständige VN
dem Katalog
nicht
entnehmen. Der
Katalog kann
somit nur
dynamisch
gemeint
sein.
Gleiches gilt
auch für
„Salmonella,
sonstige“.
Derzeit sind
ca. 2500
Serovare
bekannt, die
eine Gattung
mit den beiden
Arten
Salmonella
enterica und
Salmonella
bongori bilden.
Welche der
vielen Erreger,
die in die
Gattung
Salmonellen
fallen, sind
vom Katalog
erfasst und
welche
nicht?
Die Liste der
Beispiele
könnte fast
unendlich
fortgesetzt
werden. Sie
zeigt, dass der
angeblich
abschließende
Katalog der
Krankheiten und
Krankheitserreger
in Wirklichkeit
nicht
abschließend
ist und auch
nicht
abschließend
sein kann, weil
Gattungsbezeichnungen
verwendet
werden und weil
die Medizin
permanent neue
Spezies
entdeckt und
Gattungen
hinzufügt. In
späteren
Fassungen
zunehmend,
befinden sich
jedoch bereits
in der Fassung
des IfSG aus
dem Jahre 2000
schon sechs
Erreger mit dem
Zusatz „sp.“
sowie zwei
weitere Erreger
mit dem Zusatz
„sonstige“ oder
„andere“.
Wenn die
Medizin selbst
nicht in der
Lage ist zu
sagen, welche
Erreger
tatsächlich zu
der
bezeichneten
Spezies
gehören, dann
kann auch weder
der
Versicherer,
noch der
verständige VN
absehen, welche
Erreger genau
versichert
sind. Die
Aufzählung kann
daher nur
beispielhaft
und nicht
abschließend
sein.
Davon geht auch
das IfSG selbst
aus, denn nach
§ 6 Abs.1 Nr.5
IfSG ist auch
der Verdacht
einer
Krankheit, die
nicht bereits
nach den
Nummern 1 bis 4
meldepflichtig
ist, zu melden.
Das gleiche
gilt mit Blick
auf
Krankheitserreger
nach § 7 Abs.2
IfSG, wenn
Hinweise auf
eine
schwerwiegende
Gefahr für die
Allgemeinheit
bestehen.
Genauso war und
ist es mit
Blick auf
Covid.19 bzw.
Sars-CoV-2.
Diese
Erkrankungen
sind somit nach
dem Katalog,
auf den die AVB
Bezug nehmen,
umfasst.
Das ist auch
sachlogisch,
denn der
Infektionsschutz,
der vom IfSG
angestrebt
wird, kann nur
dann angemessen
und sinnvoll
geleistet
werden, wenn
nicht nur
bekannte
Krankheiten und
Erreger
gemeldet
werden, sondern
auch solche,
die neu
entstehen, bei
denen also der
Verdacht einer
Erkrankung, die
meldepflichtig
ist, naheliegt
und bei denen
Hinweise auf
eine
schwerwiegende
Gefahr für die
Allgemeinheit
bestehen.
Letzteres war
und ist mit
Blick auf
Covid-19 und
Sars-CoV-2 der
Fall.
Im Ergebnis
heißt dies,
dass ein
Versicherer,
der in seinen
AVB auf den
Katalog der
meldepflichtigen
Krankheiten und
Krankheitserreger
nach dem IfSG
verweist, damit
notwendigerweise
auf alle
Krankheiten und
Krankheitserreger
verweist, die
möglicherweise
in Zukunft
meldepflichtig
werden und/oder
eine
schwerwiegende
Gefahr für die
Allgemeinheit
darstellen, und
zu einer
Betriebsschließung
führen. Diese
Dynamik ist dem
Katalog der
Krankheiten/Krankheitserreger
nach den §§ 6,
7 IfSG immanent
und zwar
deshalb, weil
das IfSG seinem
Zweck nach für
einen
Infektionsschutz
der
Gesamtbevölkerung
auch dann
sorgen muss und
will, wenn
Krankheiten
oder Erreger
neu auftreten
und gefährlich
sind. Beim
Infektionsschutzgesetz
(früher
Bundesseuchengesetz)
handelt es sich
um ein Gesetz
zur
Verhinderung
und Bekämpfung
von Epidemien
und Pandemien,
nicht um ein
Betriebsschließungsgesetz.
Ein
Versicherer,
der bewusst zur
Bestimmung des
Versicherungsumfanges
auf den Katalog
dieses zur
Pandemiebekämpfung
geschaffenen
Gesetzes Bezug
nimmt, kann dem
verständigen VN
die Gesamtheit
aller
versicherten
Krankheiten und
Krankheitserreger
deshalb ebenso
wenig vor Augen
führen, wie es
das IfSG kann.
Denn weder der
Gesetzgeber,
noch der
Versicherer
können in die
Zukunft
schauen.
Niemand weiß,
welche
Krankheiten und
Krankheitserreger
in Zukunft
meldepflichtig
und für die
Infektionslage
in Deutschland
relevant sein
können.
Ein
Versicherer,
der seinen
Versicherungsschutz
für die
Betriebsschließung
an den Katalog
des IfSG
knüpft, tut
dies in dem
Wissen, dass
dieser Katalog
nicht
abschließend
und nicht
endgültig,
sondern
dynamisch und
in Bewegung
ist. Seine
Botschaft an
den
verständigen VN
ist, dass
Betriebsschließungen
nach dem IfSG
versichert
sind.
Voraussetzung
ist, dass es
sich um
meldepflichtige
Krankheiten
nach dem IfSG,
oder um Erreger
handelt, die
eine
schwerwiegende
Gefahr für die
Allgemeinheit
darstellen.
Offen bleibt,
ob es sich
dabei um
bekannte oder
um neue
Krankheiten/Erreger
handelt.
Versicherungsschutz
besteht, wenn
aufgrund
solcher
Krankheiten
oder Erreger
der Betrieb
behördlich
geschlossen
werden muss.
Dabei ist es
gleichgültig,
ob die
Krankheit oder
der Erreger im
Betrieb
aufgetreten
ist, oder ob
die
Betriebsschließung
letztlich eine
schützende
Präventionsmaßnahme
darstellt.
V.
Keine
Kalkulationsprobleme
Ein
Versicherer,
der für
zukünftige,
teilweise
unbekannte,
dynamische
Entwicklungen
Versicherungsschutz
gewährt, kann
und darf dies
tun. Typisches
Beispiel aus
der
Versicherungstechnik
sind die
All-Risk-Deckungen,
die in der
Sach-, aber
auch der
Betriebsunterbrechungsversicherung
üblich und
gebräuchlich
sind. Auch in
der
Haftpflichtversicherung
wird regelmäßig
geleistet, wenn
sich
Haftpflichtgefahren
verwirklichen,
die es
möglicherweise
aufgrund des
technischen
Fortschritts in
den vergangenen
Jahren nicht
gab.
Entscheidend
ist nur, dass
die Haftung auf
gesetzlichen
Haftpflichtbestimmungen
privatrechtlichen
Inhalts
beruht.
So entstehen
derzeit durch
die
Digitalisierung
permanent neue
Haftpflichtgefahren,
von denen ein
Versicherer bei
Abschluss des
Vertrages
möglicherweise
gar nichts
wissen konnte.
Umgekehrt
verringern sich
Haftpflichtgefahren,
etwa wenn neue
feuerfeste
Gebäudedämmungen
dazu führen,
dass die Gefahr
eines Brandes
nahezu
ausgeschlossen
werden
kann.
Aus der
Perspektive der
Versicherungstechnik
ist es kein
Problem
dynamische,
sich
entwickelnde
und verändernde
Risiken
angemessen zu
kalkulieren.
Entscheidend
ist die Länge
des jeweiligen
Kalkulationszeitraums,
die Größe der
Gruppe, auf die
die Risiken -
nach dem Gesetz
der großen
Zahl- verteilt
werden und die
Verwendung
angemessener
und
zutreffender
Wahrscheinlichkeitskoeffizienten,
etwa im Rahmen
einer
Monte-Carlo-Simulation
oder einer
Berechnung nach
dem
Value-At-Risk-Ansatz.
Auf der
Grundlage der
Erfahrungen aus
der
Versicherungstechnik,
einschließlich
der
Versicherungsmathematik
und der
ergänzenden
Wahrscheinlichkeitstheorien,
können
Versicherer
neue Märkte
(z.B.
Cyber-Märkte)
betreten und
damit auch
Risiken
zeichnen, für
die sie noch
keine
verlässlichen
(vergangenheitsbezogenen)
Schadenstatistiken
vorhalten, wie
sie dies zum
Beispiel im
Bereich der
Cyber-Risk-Versicherungen
auch ganz
bewusst tun.
Das alles ist
Handwerkszeug
eines guten
Versicherungsaktuars.
Richtig ist,
dass dabei
Fehler
geschehen
können, die
sich aber durch
neue
Erfahrungen
relativieren
und korrigieren
lassen. Genauso
ist es auch mit
Blick auf die
Betriebsschließungsversicherungen.
In der
Vergangenheit
sind
Betriebsschließungen
aufgrund der
pandemischen
Lage, die
Corona
verursacht hat,
nicht üblich
gewesen.
Deshalb wissen
wir heute, dass
die Prämien für
die
Betriebsschließungsversicherung
nicht nur in
Deutschland,
sondern
weltweit zu
niedrig
kalkuliert
waren. Dies
ändert aber
nichts daran,
dass der
Spartenausgleich
in der gesamten
Kompositversicherung
trotz der
Betriebsschließungsrisiken
ohne Probleme
in den Jahren
2020/21/22
erfolgen
konnte. Die
durchschnittlichen
Gewinne der
Kompositversicherer
lagen weit
oberhalb der zu
erwartenden
Schadenszahlungen
für
Betriebsschließungen
in Deutschland
und der
Welt.
Abgesehen davon
darf man nicht
aus dem Blick
verlieren, dass
es sich bei
vielen der
heutigen
Versicherungskonzerne
nicht mehr um
eine klassische
Versichertengemeinschaft
früherer
Prägung
handelt,
sondern um
gewinnorientierte
Großkonzerne
deren
erwirtschaftete
Milliardenüberschüsse
keinesfalls der
Versichertengemeinschaft
oder gar dem
Versicherungsnehmer
über
entsprechende
Prämienanpassungen
zugutekommen,
sondern
ausschließlich
den
Gesellschaftern
und Aktionären
der Konzerne.
Auch unter
diesem
Gesichtspunkt
mutet die
Argumentation
des BGH in
Bezug auf die
Prämienkalkulation
– die der VN im
Übrigen weder
kennt noch
nachvollziehen
kann – doch
etwas
antiquiert
an.
Nicht zuletzt
muss gesehen
werden, dass
die
Versicherer,
wenn sie
Pandemierisiken
hätten
ausschließen
wollen, dies ja
unproblematisch
hätte tun
können, wie sie
es seit Jahren
im Bereich der
Reiseversicherungen
tun.
VI.
Gesamtergebnis
1. Die Annahme
des BGH, der
Katalog der
Krankheiten/Krankheitserreger
nach dem IfSG,
der in den AVB
abgedruckt war,
sei
abschließend,
erweist sich
als fehlerhaft.
Tatsächlich ist
der Katalog –
medizinisch
notwendig –
dynamisch und
umfasst deshalb
auch
Covid-19/Sars-CoV-2.
2. Selbst, wenn
man dies nicht
so sehen
wollte, wäre
die Klausel mit
der dann als
abschließend
betrachteten
Auflistung der
Krankheiten und
Krankheitserreger
jedenfalls
intransparent,
da dem VN ein
Umfang des
Versicherungsschutzes
vorgetäuscht
würde der in
tatsächlicher
Hinsicht so gar
nicht
existiert. Die
Klausel wäre
wegen ihrer
Intransparenz
gem. § 307 I S.
2 BGB
unwirksam.
3. Die
Auffassung des
BGH, der
Versicherer
könne
andernfalls
keine
hinreichende
Prämienkalkulation
vornehmen, ist
ebenfalls nicht
haltbar.
4. Auch wenn
wir mit der
Urteilsbegründung
des
Bundesgerichtshofes
nicht glücklich
sind, ist diese
höchstrichterliche
Entscheidung ab
sofort in allen
weiteren
BSV-Verfahren
zu beachten und
es ist
sorgfältig zu
prüfen, welche
Auswirkungen
das konkrete
Urteil, welches
zu den
Versicherungsbedingungen
(ZBSV 08) der
AXA
Versicherung AG
ergangen ist,
auf Verfahren
mit anders oder
ähnlich
formulierten
Versicherungsbedingungen
hat. Zu
beachten ist
dabei auch,
dass die
ergangene
Entscheidung
des BGH auf dem
konkreten
Vortrag des
dortigen
Klägers im
dortigen
Verfahren
beruht, so dass
nicht
ausgeschlossen
werden kann,
dass der BGH
möglicherweise
zum gleichen
Bedingungswerk
bei einem
anderen
klägerischen
Vortrag in
einem anderen
Verfahren
später durchaus
noch zu einem
anderen
Ergebnis kommen
kann. (Etwas
Derartiges ist
aus dem Bereich
der
Widerrufsbelehrungen
für
Immobiliardarlehen
durchaus
bekannt. In den
zahlreichen
dortigen
Verfahren hat
der BGH zu
identischen
Widerrufsbelehrungen
- je nach
Vortrag und
Argumentation
der Kläger mal
positiv und mal
negativ
entschieden.
Auch dort kam
es bei
identischen
Widerrufsbelehrungen
auf die vom
Kläger im
Einzelfall
vorgebrachten
Argumente an.)
Wir vermögen
derzeit deshalb
nicht pauschal
zu sagen, auf
welche der
vielen
unterschiedlich
formulierten
Versicherungsbedingungen
das Urteil des
BGH sich in
welcher Weise
letztendlich
auswirken wird.
Dies bedarf
einer sauberen
rechtlichen
Analyse und
Beratung im
Einzelfall.
5. Es gibt aber
zudem auch eine
Reihe von
anhängigen
Rechtsstreitigkeiten
zur
Betriebsschließungsversicherung,
die ungeachtet
dieser
Bedingungsauslegung
zur
Leistungsverpflichtung
des
Versicherers
führen dürfte.
Beispielsweise
alle die
Versicherungsbedingungen
die keine Liste
mit im
Bedingungswerk
aufgezählten
Krankheiten und
Krankheitserregern
enthalten, wie
zum Beispiel
die Bedingungen
der Mannheimer
Versicherung AG
sind von dieser
rechtlichen
Problematik
nicht
betroffen.
6. Die
rechtlichen
Erfolgsaussichten
schätzen wir
auch bei
denjenigen
Versicherern
positiver ein,
die mit einer
Presseinformation
mitgeteilt
hatten, dass
Corona
mitversichert
sei. Im
Wesentlichen
ist hier z.B.
die
Haftpflichtkasse
Darmstadt und
die
Versicherungskammer
Bayern zu
nennen. Denn
der
Versicherungsnehmer
hätte, wenn er
nicht auf die
Mitteilung
hätte vertrauen
können, einen
zusätzlichen
ergänzenden
Versicherungsvertrag
für den Fall
der
Nichteintrittspflicht
der bereits
bestehenden
Betriebsschließungsversicherung
mit einer
sogenannten
„Umbrella
Klausel“ bei
einem anderen
Versicherer,
wie
beispielsweise
der HDI,
abschließen
können. Diese
ergänzenden
Zusatzversicherungen
sind bis kurz
vor dem 1.
Lockdown
günstig im
Markt angeboten
worden. Wir
sehen hier
möglicherweise
eine
Vertrauenshaftung
in Höhe der
Versicherungsleistung
der möglichen
ergänzenden
Zusatzversicherung.
Wir wünschen
Ihnen noch
einen
angenehmen
März!